Kurz und bündig
Geboren am 21.07.1969 in Sevelen (Rheinland), aufgewachsen in Rheinberg. Eltern Heinrich und Brigitte Werth, eine ältere Schwester (Claudia). Schulzeit von 1976 bis 1989. 1989 Abitur am Amplonius-Gymnasium Rheinberg. Wintersemester 1989 Beginn des Jurastudiums, 2000 Zweites Staatsexamen. Danach Anwältin in der Kanzlei Oexmann in Hamm. Ende 2001 bis Anfang 2004 Sponsoring-Beauftragte Karstadt Warenhaus AG. Seit 2004 selbstständig mit eigenem Turnier- und Ausbildungsstall in Rheinberg/Niederrhein. 2009 Geburt ihres Sohnes Frederik. Startet nach wie vor für den heimischen Reitverein „Graf von Schmettow Eversael“.
Mit Passion, Geduld und Demut
Spätestens seit den Olympischen Sommerspielen von Rio de Janeiro 2016 ist es amtlich: Isabell Werth ist die erfolgreichste Dressurreiterin der Welt. Zehn olympische Medaillen, sieben WM-Titel, und dreizehn EM-Medaillen, darüber hinaus 15 mal Deutsche Meisterin – mit dieser Bilanz steht die Rheinbergerin einmalig da.
Dabei hat sie wie die meisten Reiter ganz klein angefangen. Sie wuchs auf dem elterlichen Bauernhof auf, und Pferde gehörten von klein auf zu ihren Spielgefährten. Gerade fünfjährig drehte Isabell auf Ponystute Illa ihre Runden,
später gab es erste Turniererfolge auf Pony Funny – zunächst ganz ländlich-zünftig in heller Reithose und Pulli, eine schwarze Turnierjacke gab’s erst später. Dass aus der Jacke später mal ein Frack werden sollte, ahnte damals noch niemand.
Isabells Leidenschaft gehörte dem Spring- und Vielseitigkeitsreiten – bis „der Doktor“ sie unter seine Fittiche nahm. Silvester 1986, Isabell war gerade einmal 17 Jahre alt, fragte der Rheinberger Nachbar, Stahlmanager und Dressurexperte Dr. Schulten-Baumer sen., ob die Schülerin nicht Lust habe, einige seiner Pferde zu reiten.

Isabell, die mit der jüngsten Schulten-Baumer-Tochter Verena befreundet war, sagte begeistert zu. Daraus entwickelte sich mit der Zeit eine Zusammenarbeit zwischen Trainer und Reiterin, die weltweit ihresgleichen suchen sollte. Mit allen Pferden des „Doktors“ feierte Isabell Triumphe, die größten jedoch mit Gigolo, der mit ihr gemeinsam zur Legende wurde.
„Neben meinen Eltern hat mich der Doktor zunächst am meisten geprägt,” betont Isabell Werth im Rückblick. „Und dass ich am Anfang ein so unkompliziertes und rittiges Pferd wie Gigolo reiten konnte, war ein unschätzbares Geschenk.”
Vierzehn Jahre arbeiteten Isabell Werth und ihr Trainer und Förderer zusammen. Isabell ging „nebenher“ zur Schule („Sport und Reli waren meine Lieblingsfächer …“), machte ihr Abitur („Der Schnitt war mit 3,1 nicht ganz so toll, aber ich hab‘ damals wohl mehr geritten als gelernt…“) und studierte Jura. Auch hier bewies sie, dass Erfolg nicht nur von Talent und Glück abhängt, sondern dass Disziplin, Fleiß und Durchhaltevermögen die Grundvoraussetzungen sind – im Sport ebenso wie im Beruf.
Trotz eines übervollen Terminkalenders, trotz täglichen Trainings und trotz regelmäßiger Turnierreisen in die ganze Welt schaffte Isabell ihr Studium. Im Jahr 2000 absolvierte sie ihr Zweites Juristisches Staatsexamen und arbeitete anschließend ein Jahr lang als Anwältin, bevor sie bei ihrem neuen Sponsor Karstadt eine Stelle in der Marketingabteilung annahm. Gleichzeitig ging sie auch sportlich neue Wege. 2001 trennte sie sich von ihrem Mentor Dr. Schulten-Baumer: „Es war einfach an der Zeit, selbstständiger zu werden.“ Vorübergehend zog sie nach Mellendorf (bei Hannover) auf die Anlage ihrer Freundin und Mäzenin Madeleine Winter-Schulze. Zwei Jahre blieb sie dort, bevor sie sich 2004 für den eigenen Ausbildungsstall mit 22 Boxen zu Hause in Rheinberg und damit für die Reiterei als Beruf entschied.
“Ich habe zweimal im Leben das große Glück gehabt, zur richtigen Zeit dem richtigen Menschen zu begegnen”, so Isabell. “Der Doktor hat mich damals in den Spitzensport gebracht. Madeleine Winter-Schulze hat dafür gesagt, dass ich mich dort halten konnte und es immer noch kann. Ihr verdanke ich die Unabhängigkeit, meine Pferde mit der nötigen Ruhe auszubilden und mich sportlich einzig und allein an ihnen zu orientieren.”
Unterdessen war Gigolos legendäre Ära im Sport zuende gegangen. Nachwuchspferd Amaretto starb an einer Kolik – ein herber Rückschlag für Isabells sportliche Träume. Zwar war sie mit Antony FRH und anderen Pferden kontinuierlich im Sport präsent; ihren Platz an der internationalen Spitze jedoch büßte sie erst einmal ein. Satchmo und Warum nicht FRH hießen die beiden Pferde, die Isabell Werth schließlich wieder ganz nach vorn brachten und gleichzeitig ihr einzigartiges Talent als Ausbilderin unterstrichen: Warum nicht, liebevoll „Hannes“ genannt, war ein Hüne mit dem Herz eines Hasen, dem die Dressur anatomisch so gar nicht in die Wiege gelegt zu sein schien.
Doch Isabell glaubte an den Weltmeyer-Sohn und formte ihn zu einem Top-Athleten. Hannes war es eigentlich auch, mit dem sie bei der Heim-EM 2006 in Aachen starten wollte, doch er vertrat sich wenige Tage vorher im Trainingslager und machte den Weg frei für seinen Stallkameraden Satchmo. „Dieses Pferd hat mich Demut gelehrt“, sagt Isabell noch heute über den elastischen Braunen, der an guten Tagen der Inbegriff der Durchlässigkeit war – und in schlechten Momenten komplett den Dienst verweigern konnte.
Auf WM-Mannschafts- und Special-Gold sowie Einzel-Bronze in Aachen folgte ein Dämpfer bei den Olympischen Spielen in Hongkong/Peking, als Satchmo mitten in einer brillanten Kür plötzlich buchstäblich „ausstieg“. Der Gewinn der Silbermedaille konnte Isabell Werth nicht darüber hinwegtäuschen, dass Satchmo ein Problem hatte – hartnäckig kämpfte sie auch um dieses Pferd, bis schließlich ein Augenspezialist die Lösung fand.
WM-Mannschaftsbronze in Kentucky 2010 mit Warum nicht FRH, EM-Mannschaftssilber in Rotterdam 2011 mit El Santo NRW, WM-Mannschaftsgold in der Normandie 2014 mit Bella Rose, EM-Mannschaftsgold in Aachen 2015 mit Don Johnson FRH und schließlich Olympia-Mannschaftsgold und Einzelsilber in Rio de Janeiro 2016 mit Weihegold OLD, Stuttgart German Master 2016 mit Emilio – auf beeindruckende Weise bezeugen die letzten Jahre Isabells Gabe, sich in die unterschiedlichsten Pferde hineinzufühlen und sie bis an die Spitze zu fördern.
Mit Pferden wie dem Schimmelhengst Belantis (*2009) oder auch der 2012 geborenen Stute Superb wird Isabells Reise weitergehen. Denn bei allem sportlichen Ehrgeiz und aller Freude am Erfolg: „Junge Talente zu finden und auszubilden, das ist meine Passion“, sagt Isabell Werth und freut sich unverändert täglich neu auf die Zukunft im Sattel.